1. Liga
7. Spieltag 10.07.2023
Spielbericht von Autonama
Die Eklipse oder das Schwarz und Weiß der Dinge

Soweit wir also wissen, ist ein astronomisches Ereignis auch die Folge autonamischer Konstellationen. Zum 7. Spieltag der Medienliga ließen sich bereits früh ungewöhnliche Farbphänomene auf den gluthellen cantianischen Feldern ausmachen. Denn schon im Flimmerlicht des Einspielens wurden die Farben der Sportbekleidung der Autonama im ikonischen weiß-schwarz-weiß von einem irritierend unähnlich-ähnlichen schwarz-weiß-schwarz auf Seiten des Gegners gleichsam absorbiert. Heben sich Gegenteile tatsächlich auf? Ist Fußball die Balance von Vorbestimmungen? Und ruft wirklich jedes Mal eine Stimme „Alle erstmal individuell warm machen“, während sich längst alle individuell warm machen?

Kaum konnten profunde Antworten gelingen, da rief Coach Böttcher die Teilnehmer der gestrigen Versuchsanordnung zusammen. Im Kreis stehend schimmerte dem Verfasser die zauberhaft kryptisch-tätowierte Buchstabenlandkarte am linken Unterarm von Kapitän Afanasjew wie ein „Die stärkere Bank wird gewinnen“ als Omen vor Augen. Klarer Vorteil Autonama nämlich: Hier zumindest stand es drei zu eins. Jeder weitere Blick in das bewegte Schwarz auf Weiß der sogleich Spielenden wurde zu einem irrlichternden Test – oder Text? – der höheren Typografie.

Aber alles Vorherige wurde irrelevant, als zum Anstoß die eben noch in Spielfeldhälften getrennten Hell-Dunkel-Kontraste zu einem Chiaroscuro des frühbarocken Weltgerichts zerflossen. Denn wer bei unserem Gegner die südseemilde Version einer Support-Band für Tokio Hotel erwartet hatte, sah sich in der Anfangsphase arglistig getäuscht: Maskuline Zweikampfführung trifft strukturiertes Passspiel, ergänzt um geradlinige Torabschlüsse. Bekanntlich bedeutet Honululu friedliche Bucht: leider ein allzu programmatischer Titel für die Spielfeldhälfte des Gegners. Doch was meint dann dies funkelnde Wort Autonama? Stürmischer Hafen? Reißende Küste? Der Gegner jedenfalls mit mehr großen Chancen als die hawaiianische Ukulele Saiten hat. La Mancha hingegen fehlte im Gegenlicht der tiefstehenden Sonne der Zugriff auf die Dinge. Von Händen beschirmte Augen sahen kaum kommen, was Beine nicht verhindern konnten. Die Autonama spielte in den ersten zehn Minuten so viele complete passes wie der Eckkneipenwirt gesunde Zähne im Gesicht trägt: zwei. Plötzlich jedoch hat sich einer den Überblick bewahrt, der eben noch über Südtiroler Alpen stieg: Guggenberger spielte über halblinks Afanasjew frei, der so trocken abschließt, wie hawaiianischer Küstensand durch die Hände rieselt. Von nun an verschieben sich die Spielereignisse wie Bälle auf den Umlaufbahnen der Sonnenkreise: Karig zweikampf- und kommandostark, Reinartz ein Kometenschweif der linken Außenlinie, Wolf das Zentralgestirn des hinteren Autonamasystems, Richter und Müller im Wechsel auf rechts in stabiler Lage, der Torwart schließlich eine neongelbe Lichterscheinung, die alles hielt, was zu merkeln war. Hinzu kam, dass Coach Böttcher – gleichsam ein Athanasius Kircher der Seitenlinie – geschickt und bedacht ein Mancha-Element nach dem anderen in den Glutkrater des Cantian-Feldes warf, kein Mäandern nach Einwechslungen, sondern klares Halten des Kurses im Spiel: flache Bälle durchs Mittelfeld, der Versuch die Außen zu integrieren und immer wieder kurz abgelegte Bälle aus der Mitte, um gemeinsam nachzuschieben. Dabei bildeten Claus und besonders der Berliner Kleinfeldmeister Montgomery einen neuen Beweis für höchstmögliche Dynamik bei zugleich konstanter Ruhe. Als der zweite Gegner Hitze stärker wurde, kommt auch Honolulu wieder zu Torschüssen. Die Halbzeitpause wie ein Segen, das Wasser wie ein Himmelreich.

La Mancha bei Wiederanpfiff nun mit Licht im Rücken und Spielwitz im Angesicht: drei, vier Pässe zogen wieder die linke Seite auf, Afanasjew erst geschickt bewegt, dann bedacht gepasst auf Karig, der locker einschob und so auch an diesem Spieltag traf. Das Zweizunull wurde vom kompakten Fanblock aus Richter-Kind und Becker-Bart noch gütig benickt, da schoben sich erstmals düstere Planeten in eine schicksalhafte Konjunktion. Hier noch in Form zweier Gegner, die vom Anstoß weg durch la Mancha glitten. Der eine rief, der andere spielte. Honolulu jubelte. Das ging schnell. Doch der Spielstand 2:1 ist gerechtes Abbild der Ereignisse: Autonama mit sauberem Stellungsspiel, soliden Pässen — das bloody-know-yourself-Credo von Merkel immer im Sinn – und einigen guten Abschlüssen, die aber noch besser gehalten wurden. Honolulu dafür nach wie vor aberwitzig griffig in den Zweikämpfen und immer wieder rasch und gefährlich über die Außenspieler. Allein, was können irdische Mächte tun, gegen kosmisch so Vorherbestimmtes? Eine lokale Himmelskonjunktion dreier – nun ja – Körper geriet in eine Konstellation, die einen offenbar keplerschen Energiekollaps zur Folge hatte. Ein simpler Einwurf von Honolulu auf der tiefrechten Mancha-Bahn flog, flog lang, aber noch etwas flog und da geschah’s: Unser Torwart, doch eigentlich geübt im Wechsel seiner Identitätszustände, unser Torwart, der einst Marathon-Andreas war und Dr. Gosch wurde, der rennt und rettet, der stets das Gute will und stets das Bessere schafft, wurde – vor Zeugenaugen! – verschluckt zu einem Drittelteil planetarischer Fügung und flog ins Licht, das hell erscheint, doch nichts beleuchtet. Oh, hätte nur die unweit liegende Sternwarte des Planetariums das scharfe Auge der Wissenschaft auf uns gerichtet, wir wüssten mehr. Was wir wissen, ist das, was wir sahen. Die Sonne verdeckte Merkel, Merkel verdeckte den Ball, der Ball verdeckte den Zeitenlauf. Ein Moment des gleißenden Nichts. Da wo drei Körper waren, war nun schwarz. Da wo alles schien, war weiß und schwarz zusammen. Und aus dem Kernschatten der Korona wurden Pupillen, die sich fokussierten und erkannten. Die Sonne stand, der Keeper landete, der Ball flog – ja, er flog noch immer. Denn wie so oft nach ungewöhnlichen Ereignissen, hat sich doch eigentlich nichts verändert. Jedoch das Fliegen dieses einen Körpers bannte die Blickenden – und das Landen im Tornetz überraschte die Manchas. Kein Vorwurf, nirgends. Denn dieser nunc stans war größer als jede autonamische Autonomie. Ein Ereignis immerhin wie ein Sinnspruch, der von diesem Spiel erzählt und der noch tätowiert sein will: in uno omnia.

Danach jedes Mühen wie ein barockes Trauerspiel: Guggenberger mit einem völlig freien und genauso unerfolgreichen Kopfball, der so sicher nicht gemeint war. Montgomery mit einem völlig freien und ebenso unerfolgreichen Kopfball, der so sicher kaum zu halten war. Afanasjew mit zwei Schüssen, die statt Jubel nur Geraune wurden. Denn was bringt’s wenn einer nur bei Honolulu die Namensänderung verweigert und nach wie vor Magnet der Bälle ist… Abpfiff.

In einem Irgendwann des Zeitgefüges schließlich, als längst die Ordnung der Dinge wieder stand, wurden Gläser gehoben – für die einen verdienter Feierbandtrunk, für die anderen verspäteter Mittagstischersatz –, und ein letzter Blick unterschied schwarz von weiß auf digitalem Grund. Was die Tabelle der 1. Medienliga als Kurskarte dieser kosmologischen Pseudo-Phänomenologie am Spätnachmittag erzählte? Die Kompassnadel zeigt stabilen Kurs, keine schweren ex-magnetischen Abweichungen im Honolulu-Dreieck: Platz sieben, nach sieben Spielen mit dreizehn Punkten – und einem Tor plus. Es bleibt dabei: in uno omnia.

(Ronny Müller für Autonama)